Rund 47.500 Besucherinnen und Besucher aus mehr als 90 Nationen machten die Leitmesse Automatica zur besucherstärksten aller Zeiten, wie die Messe München in ihrem Abschlussbericht mitteilte. Im Fokus während der vier Messestage standen KI-gestützte sowie mobile Robotik, Mittelstands-Automation, Healthtech-Lösungen und vernetzte Produktion. Wir stellen einige Neuheiten und Trends vor.
Über 1.100 ausgestellte Roboter prägten vom 24. bis 27. Juni das Bild in den sechs Hallen der Leitmesse und brachten zum Ausdruck: Cobots dringen verstärkt in neue Arbeitsbereiche vor. Sie assistieren bei Reha-Therapien, übernehmen monotone Tätigkeiten in der Verwaltung oder arbeiten in Großküchen. Aufgrund des Fachkräftemangels rückt die Anschaffung von Robotern immer stärker in den Fokus. Und weil Cobots immer günstiger und die Programmierung beziehungsweise Parametrierung immer einfacher werden, rechnen sich Roboter-Arbeitsplätze inzwischen auch für kleine Unternehmen. Wie günstig der Einstieg in die Robotik sein kann, belegte Igus auf der Automatica. Bei den Kölnern gibt es Cobots schon ab rund 5.000 Euro, und wie sie eingesetzt werden können, zeigt das Unternehmen in der eigenen Fertigung. Alexander Mühlens, Leiter Geschäftsbereich Low-Cost-Automation: „Wir setzen bei uns im Spritzguss zum Beispiel Roboter zum Entfernen der Angüsse ein. Der Roboter kostet rund 10.000 Euro, und der Return of Invest ist schon nach sechs Monaten erreicht.“ Das macht Cobots zu einer effizienten Lösung auch für den Mittelstand, zumal man für die Inbetriebnahme keine Roboter-Experten braucht.
Je einfacher und intuitiver der Umgang mit kollaborativen Robotern wird, desto mehr Einsatzmöglichkeiten tun sich auf. Daher setzen die Hersteller alles daran, ihre Cobots durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) für ein möglichst breites Aufgabenspektrum zu qualifizieren.
Der Messeauftritt von Kuka stand unter dem Motto „Making automation easier“ und sollte zeigen, wie einfach die Lösungen für komplexe Herausforderungen der Automatisierungsbranche sein können. „Wir integrieren Künstliche Intelligenz ganz gezielt in unsere Produkte, um Mehrwerte für unsere Kunden zu schaffen und den Zugang zu Robotik zu vereinfachen“, sagte Roland Ritter, Head of Software Portfolio Management bei Kuka. Ein Beispiel dafür ist der gemeinsam mit Microsoft entwickelte KI-Assistent für die einfachere Programmierung von Kuka-Robotern. „Mit dem ‚iiQ Works Copilot‘ ist es möglich, dass unsere Kunden die Prompts, also Texteingaben wie Fragen in alltäglicher Sprache, direkt an die KI geben. Die KI erstellt dann den Code, um den Roboter für die jeweilige Aufgabe zu programmieren“, so Ritter.
In diesem Jahr haben wir ein bemerkenswertes Interesse von Kunden erlebt, die bislang noch nicht automatisieren.
Aber auch auf der Hardwareseite hatte Kuka Neuheiten zu bieten: Der „KR Titan ultra“ mit einer Traglast bis zu 1.500 kg wurde erstmals auf der Automatica präsentiert. Das Messe-Resümee von Reinhold Groß, CEO der Robotersparte von Kuka, fiel positiv aus. „In diesem Jahr haben wir ein bemerkenswertes Interesse von Kunden erlebt, die bislang noch nicht automatisieren.“
Auf dem Stand von Fanuc übernahmen Roboter das Belegen von Baguettes.
Das Messe-Highlight auf dem Fanuc-Stand verband Robotik und Kulinarik. Zwei Roboter übernahmen dort das Belegen von Baguettes. „Um die Robotik außerhalb der Industrie zu bringen, brauchen wir das Know-how von Partnern“, erklärte Robert Koopmann, CTO bei Fanuc Europe. In diesem Fall liefert Bizerba die Schneidetechnologie, Schmalz die Vakuumtechnik, Viscotec die Dosiersysteme, und Kilivations fungiert als Systemintegrator. Mit der robotergestützten Lösung für die Sandwich-Zubereitung wird ein personalintensives Frischesegment intelligent entlastet, heißt es dazu von Bizerba. Das System ist modular aufgebaut, einfach skalierbar und auf unterschiedliche Handelsformate adaptierbar. „Unsere Zusammenarbeit mit Fanuc bringt industrielle Präzision und intelligente Automatisierung dorthin, wo sie gebraucht wird, direkt an den Point of Sale“, so Ante Todoric, Managing Director Business Unit Retail bei Bizerba.
Premiere feierte auf der Automatica auch der „Cobot CRX-10iA/L Paint“. Er ist laut Fanuc der weltweit erste explosionsgeschützte, kollaborative Roboter speziell für die Lackier-, Pulver- und Flüssigbeschichtungsindustrie. Er wurde für den Einsatz in sensiblen Umgebungen konzipiert.
Für Aufsehen sorgten auf der Messe in München humanoide Roboter, allen voran der „4NE1“ (sprich „For Anyone“) von Neura Robotics, der autonom und sicher in realen Umgebungen mit Menschen zusammenarbeiten soll. Er verfügt über kognitive Intelligenz, die es ihm ermöglicht, seine Umgebung eigenständig wahrzunehmen, Entscheidungen zu treffen und aus Erfahrungen zu lernen. „Es dauert nicht mehr lange, bis Roboter jedem Menschen den Alltag erleichtern, ob im Privaten oder im Job“, sagte David Reger, Gründer und CEO von Neura Robotics. Mit dem patentierten Omnisensor ist dem Unternehmen nach eigenen Angaben ein Durchbruch in der sicheren Mensch-Roboter-Kollaboration gelungen. Damit kann der 4NE1 zuverlässig Menschen von Objekten unterscheiden, sie erkennen und sein Verhalten dynamisch an die jeweilige Situation anpassen. Diese Technologie soll erstmals ein sicheres, direktes Miteinander von Mensch und Roboter ermöglichen.
Der humanoide Roboter von Neura Robotics soll autonom und sicher in realen Umgebungen mit Menschen zusammenarbeiten.
Der Humanoide hat noch weitere technische Highlights zu bieten, beispielsweise die Sensorhaut „Artificial Skin“. Sie imitiert Eigenschaften der menschlichen Haut und erkennt Berührungen bereits kurz vor dem eigentlichen Kontakt. Damit ist laut Neura ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer menschennahen Interaktion mit Robotern getan. Der Sensor wird als Tinte aufgedruckt und lässt sich daher auf beliebige 3D-Flächen aufbringen.
Durch zwei Akkus auf seinem Rücken wird der 4NE1 mit Strom versorgt und eignet sich damit für den unterbrechungsfreien 24/7-Betrieb. Über die Kraft in den Knien und Gelenken kann er bis zu 100 kg heben. Bezogen auf die Hände erreicht er eine Hebekraft von 10 kg. Für die Umgebungswahrnehmung verfügt der humanoide Roboter über umfassende Sensorik mit sieben Kameras, Lidar, den Omnisensor und Microphone-Array.
Hier ist die Zukunft zum Greifen nah.
Mit Schunk als einem der Partner sollen die vielfältigen Anwendungsfelder der humanoiden Robotik erschlossen werden. Die 5-Finger-Greifhand „SVH“ ermöglicht es, Aufgaben in der Industrie, aber auch Tätigkeiten im Haushalt oder Dienstleistungssektor zu erledigen. „Auf Basis unseres starken Komponentenportfolios wollen wir neue intelligente Branchenlösungen entwickeln“, betonte Johannes Ketterer, COO/CSO von Schunk.
In naher Zukunft werden die Einstiegshürden für Automation noch weiter sinken. Die Hersteller von Robotern und Anlagen arbeiten intensiv an Sprachsteuerungsmodellen, was die Programmierung auch für Laien zum Kinderspiel machen soll.
Zufrieden blickte auch Frank Konrad, CEO der Hahn Automation Group, auf die vier Messetage: „Die Automatica 2025 hat einmal mehr verdeutlicht, wie entscheidend smarte Automation und Robotik für die Zukunft der Industrie sind. Agilität, Technologieoffenheit und eine konstruktive Standortpolitik sind entscheidend, um Europa als Automatisierungsstandort zukunftsfähig zu machen. Wir nehmen viele starke Impulse aus München mit und gehen mit einer klaren Botschaft aus dieser Woche: Die Zukunft ist automatisiert – und wir sind bereit, sie gemeinsam mit unseren Kunden zu gestalten.“
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