Familienfreundliche Unternehmen fördern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – mit Homeoffice, flexiblem Arbeiten und unterstützenden Angeboten für Eltern von kleinen Kindern. Mancher Hidden Champion hat darüber hinaus das Thema Pflege im Blick.
„Wir kriegen das hin.“ An diesen Satz ihres Chefs kann sich Isabel Kalinke noch gut erinnern. Die heute 34-Jährige arbeitet bei Bito, einem führenden Unternehmen für Lagertechnik und Intralogistiklösungen, und wurde während der Corona-Pandemie schwanger. „Wir saßen im Großraumbüro, und ich hätte ins Beschäftigungsverbot gemusst. Das wollte ich aber nicht.“ Deswegen sagte die Marketing-Managerin ihrem Vorgesetzten früh in der Schwangerschaft, dass sie ein Baby erwarte. Da das mobile Arbeiten bei Bito zu dem Zeitpunkt grundsätzlich schon eingerichtet war, konnte sie schnell und unkompliziert sofort ins mobile Arbeiten wechseln.
Nach einem Jahr in Elternzeit kehrte Isabel Kalinke halbtags zurück in ihren Beruf. „Ich wollte nicht komplett abhängig sein von Mann und Staat.“ Das flexible und mobile Arbeiten machte es möglich, den Schichtdienstplan ihres Mannes zu berücksichtigen; die Großeltern in der Nähe halfen zusätzlich.
Für Isabel Kalinke ist mobiles und flexibles Arbeiten ein entscheidender Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Alles lief gut – dann kam die Kita-Eingewöhnung und mit ihr das „Berliner Modell“. Für ihre Tochter war diese sanfte Form der Eingewöhnung in den Kindergarten gut, für Isabel Kalinke, die bereits wieder Vollzeit arbeitete, eine Herausforderung. „Ich habe mir vorher keine Gedanken darüber gemacht, dass ein Elternteil bei diesem Modell sechs Wochen lang mit in der Kita sein soll. Für berufstätige Eltern ist das echt schwierig.“ Wieder sagte ihr Chef: „Wir bekommen das hin.“
So war die Marketing-Managerin in der Kita mobil erreichbar, konnte am Laptop wichtige Termine erledigen und danach – wenn Vater oder Großeltern die Tochter betreuten – an den Schreibtisch zu Hause oder ins Büro zurückkehren. „Im ersten Kita-Jahr haben wir dann noch jeden Infekt mitgenommen. Ein verständnisvoller Chef und flexible Arbeitsmöglichkeiten waren da für mich das Wichtigste“, resümiert sie, weiß aber gleichzeitig auch: „Ich bin in einer Luxussituation. Nicht für jeden Mitarbeitenden ist das flexible und mobile Arbeiten eine Option.“
Dass in der Schichtarbeit weniger Flexibilität möglich ist als im Büro, daraus macht auch Raphael Müller, Personalleiter bei Bito, keinen Hehl. „Dennoch bemühen wir uns auch hier um größtmögliche Familienfreundlichkeit. Beispielsweise bieten wir den Auf- und Abbau von Arbeitszeitguthaben über Arbeitszeitkonten sowie die Umwandlung einer Einmalzahlung in bis zu acht zusätzliche freie Tage an, etwa zur Betreuung kleiner Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger. Es gibt die Option, Schichten zu tauschen oder Schichtgruppen zu wechseln“, zählt Raphael Müller auf.
Für Raphael Müller gehören Familienfreundlichkeit und nachhaltiger Unternehmenserfolg zusammen.
Er betont: „Entscheidend ist für uns jedoch, dass wir individuelle Lösungen in Absprache mit unseren Beschäftigten finden, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ebenso zu gewährleisten, wie den betrieblichen Erfordernissen zu entsprechen – im Schichtbetrieb genauso wie im mobilen und flexiblen Arbeiten. Neben der Flexibilität haben aber die regelmäßige Begegnung und der persönliche Kontakt bei uns einen sehr hohen Stellenwert, da diese das Vertrauen und den Zusammenhalt stärken.“
Die Bemühungen des Unternehmens werden von vielen der 890 Mitarbeitenden in Meisenheim und Umgebung gesehen und wertgeschätzt. 2023 landete Bito auf der Online-Bewertungsplattform Kununu auf Platz 3 der familienfreundlichsten Unternehmen in der Industriebranche in Deutschland.
Für Raphael Müller ist Familienfreundlichkeit essentiell für den Erfolg des Unternehmens. „Arbeit und Privatleben lassen sich nicht strikt trennen. Wer zu Hause Sorgen hat, bringt diese mit zur Arbeit – und umgekehrt. Deshalb ist es uns wichtig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es unseren weltweit rund 1.300 Beschäftigten ermöglichen, sowohl im Beruf- als auch im Privatleben mit Freude und Engagement leistungsfähig zu bleiben“, sagt er und betont: „Familienfreundlichkeit ist kein Nice-to-have, sondern eine der Voraussetzungen für langfristige Zufriedenheit, Gesundheit und Motivation – und damit auch für nachhaltigen Unternehmenserfolg.“
Die Fluktuation in Unternehmen mit einer ausgeprägt familienfreundlichen Unternehmenskultur ist deutlich geringer.
Dass Familienfreundlichkeit eine nachhaltige Strategie zur Fachkräftesicherung ist, zeigt auch der jüngste „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit“. Seit rund 20 Jahren hat die Studie, die vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln durchgeführt und vom Bundesfamilienministerium gefördert wird, die Entwicklung des betrieblichen Engagements für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Blick.
Laut Studie berücksichtigen drei von vier Unternehmen mit einer Fachkräftesicherungsstrategie explizit das Thema Vereinbarkeit. „Mit ihrem Fokus auf dem Thema Vereinbarkeit liegen die Personalverantwortlichen für die Mitarbeitergewinnung und -bindung richtig, denn für die große Mehrheit der Beschäftigten ist ein familienfreundlicher Arbeitgeber wichtig, und zwar unabhängig von eigenen Betreuungsverpflichtungen“, bilanzieren die Forscher.
Familienfreundlichkeit zahlt sich auch betriebswirtschaftlich aus. „Die Fluktuation in Unternehmen mit einer ausgeprägt familienfreundlichen Unternehmenskultur ist deutlich geringer“, berichten die Studienautoren. Das bedeutet: weniger Zeit und Geld für Recruiting und Einarbeitung. Die befragten Personalverantwortlichen sind überzeugt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig immer wichtiger wird. Mehr als 80 Prozent von ihnen sehen eine steigende Bedeutung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben für die Fachkräftesicherung.
Nicht nur bei Bito wissen die Verantwortlichen um die Bedeutung der Familienfreundlichkeit für ihr Unternehmen. Viele der Hidden Champions werben auf ihren Internetseiten mit Benefits vom mobilen Arbeiten bis hin zum Betriebskindergarten. Die Apetito AG mit Sitz in Rheine bietet seit 2008 sogar betriebliche Ferienfreizeiten für die Kinder der Beschäftigten an. „Die Idee entstand, um unseren Mitarbeitenden Entlastung in Bezug auf die Ferienbetreuung zu schaffen, da einem Arbeitnehmer im Jahr sechs Wochen fehlen, um die Kinder zu betreuen“, sagt Saskia Potthoff, HR Services bei Apetito.
Apetito erhält sehr positives Feedback zur besseren Abdeckung der Betreuung in den Ferienzeiten, die zu einer höheren Mitarbeiterbindung führt.
Gab es zunächst nur eine Waldwoche im Herbst, finden die Freizeiten in Kooperation mit der Caritas vor Ort nun auch in den Oster- und Sommerferien statt. Denn das Angebot wird gut angenommen. „Apetito erhält sehr positives Feedback zur besseren Abdeckung der Betreuung in den Ferienzeiten, die zu einer höheren Mitarbeiterbindung führt“, fasst Saskia Potthoff zusammen.
Freuen sich über die Angebote, die Apetito Mitarbeitenden zur besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben macht (v.l.n.r.): Saskia Potthoff (HR Services), Sabina Hagedorn (HR Services) und Janine Diekhaus (HR Services)
Aber nicht nur Mitarbeitende mit kleinen Kindern will der Anbieter für Gemeinschaftsverpflegung aus Rheine entlasten. Bei plötzlich auftretenden Pflegefällen naher Familienangehöriger erhalten Mitarbeitende zwei Tage bezahlten Sonderurlaub. „Ziel ist es, unbürokratische und schnelle Hilfe in Pflegenotsituationen zu gewährleisten“, erläutert Saskia Potthoff. Außerdem können Beschäftigte bis zu drei Monate bezahlt freinehmen, in Teilzeit arbeiten oder bis zu sechs Monate unbezahlt pausieren. Es gibt zudem qualifizierte Pflegelotsen, die laut Unternehmen etwa von zwei Mitarbeitenden pro Monat angesprochen werden. „Sie haben ein offenes Ohr, unterstützen bei Fragen und helfen dabei, Anlaufstellen zu finden. Zudem klären sie über das Angebot von Apetito auf“, erklärt Saskia Potthoff.
Nicht nur für die Beschäftigten lohnen sich die besonderen Unterstützungsangebote. „Apetito wird so als familienfreundliches Unternehmen mit einer familienfreundlichen Arbeitskultur wahrgenommen. Dies trägt zur Erfüllung der gesellschaftlichen Verantwortung bei, die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu verbessern“, unterstreicht Saskia Potthoff.
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