Wie väterfreundlich ist unser Unternehmen? Diese Frage sollten die Personalabteilungen der Hidden Champions stets im Blick behalten. Denn vor allem junge Väter legen heutzutage großen Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und sind durchaus bereit, den Arbeitgeber zu wechseln, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Drei bis fünf Tage beim Kunden, viele Nächte im Hotel – das konnte sich Raphael Rojas nicht mehr vorstellen, als er wusste: Ich werde Vater. „Ich wollte die Meilensteine begleiten und bei den ersten Schritten meiner Tochter dabei sein.“
Der heute 38-Jährige schaute sich nach einer neuen Stelle um und fand sie bei Stihl, dem international erfolgreichen Hersteller von Motor- und Gartengeräten. Das Unternehmen kannte der IT-Fachmann bereits, hatte vor seiner Zeit bei Microsoft dort gearbeitet. „Aber es war dennoch Zufall, dass es wieder Stihl wurde. Hier passte alles.“ Die Stelle hörte sich spannend an und bot viel Flexibilität und mobiles Arbeiten. Für Rojas ein wichtiger Punkt, denn seine Frau wollte nach der Elternzeit in ihren Beruf als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin zurückkehren.
Mobiles Arbeiten - das ist für Raphael Rojas sehr wichtig, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.
Acht Jahre ist das mittlerweile her. Es hat sich viel getan. Inzwischen hat Raphael Rojas zwei Kinder von fünf und acht Jahren, ist Abteilungsleiter und verantwortlich für drei Teams in Deutschland, Brasilien und auf den Philippinen. Das Arbeiten im Unternehmen ist noch flexibler geworden. Der mögliche Arbeitszeitrahmen umfasst 6 bis 19 Uhr im Büro und seit 2023 bis 23 Uhr im mobilen Arbeiten.
Für Rojas ist diese Flexibilität eine echte Chance. „Meine Frau arbeitet im Schichtdienst. Heute hat sie Frühdienst, also habe ich die Kinder zur Schule beziehungsweise zum Kindergarten gebracht und den ersten Termin im Auto auf dem Weg ins Büro erledigt“, erzählt er.
Wenn ein Kind krank ist und seine Frau Dienst hat, dann bleibt er auch zu Hause, übernimmt die Betreuung, arbeitet im Homeoffice und abends. „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen es, dass ich spontan umplanen muss. Meine Frau arbeitet auf einer Frühchen-Intensivstation und die Versorgung dieser kleinen Babys geht vor. In meinem Job lässt sich trotz notwendiger Termine meist etwas umplanen, vertreten, verschieben oder eben mobil erledigen.“
Eine Herausforderung bleiben seine Dienstreisen. „Ich war letzte Woche in den USA, bin nächste Woche auf den Philippinen. Da hat sich meine kleine Tochter schon beschwert und eingefordert, dass wir jetzt ganz viel machen, damit sie die kommenden Tage aushält“, berichtet er und ergänzt schmunzelnd: „Es gibt angenehmere Gespräche.“ Deswegen wird er diese Woche weniger arbeiten als seine üblichen mindestens 40 Stunden.
Wir müssen eine Vorgesetztenkultur pflegen, die echte Balance und große Toleranz lebt.
Als Abteilungsleiter lebt er dieses Modell vor und gewährt auch seinen Teammitgliedern größtmögliche Flexibilität. „Ich bin niemand, der für 100 Prozent mobiles Arbeiten plädiert. Der persönliche Austausch ist ein wertvoller Baustein, und wir alle haben Präsenztermine im Büro. Aber so lange es funktioniert, ist fast alles möglich.“ Kommunikation und Zeit für diese Kommunikation seien ganz wichtig. „Der Vorgesetzte muss wissen, dass der Mitarbeitende es im Griff hat. Dann ist es für ihn auch einfach zu sagen: Ja, das machen wir so.“
Der direkte Vorgesetzte – das ist für Rojas die Schlüsselstelle in Unternehmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Wir müssen eine Vorgesetztenkultur pflegen, die echte Balance und große Toleranz lebt. Denn dann habe ich als Mitarbeiter eine hohe Leistungsbereitschaft und ein hohes Commitment zur Firma.“
Rund 450.000 Väter in Deutschland haben schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt.
Das bestätigt auch die Prognos-Studie „Wie väterfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?“, die 2022 im Auftrag des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“ des Bundesfamilienministeriums erstellt wurde. Sie sieht Potenziale zur nachhaltigen Steigerung der Väterfreundlichkeit insbesondere in der Information, Kommunikation und der Unternehmenskultur. „Dabei haben die Führungskräfte eine Schlüsselfunktion, da sie die Kultur prägen, als Vorbilder fungieren und ganz konkret über Vereinbarkeitsbedingungen von Vätern entscheiden können.“
Die Studie betont die Relevanz, die die gelungene Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Fachkräftesicherung hat. „Rund 450.000 Väter in Deutschland haben schon einmal den Arbeitgeber zugunsten einer besseren Vereinbarkeit gewechselt. Und mehr als 1,7 Millionen Väter denken darüber häufig oder zumindest manchmal nach. Diese hohe Wechselbereitschaft ist gerade in den aktuellen Zeiten des Fachkräftemangels ein großes Unternehmensrisiko“, heißt es in der Studie.
Vor allem junge Väter unter 40 Jahren achten laut Studie besonders auf die Väterfreundlichkeit ihres Betriebes. „Insgesamt sind Unternehmen in Deutschland gut beraten, ihre Väterfreundlichkeit im eigenen Interesse zu stärken“, betonen die Autoren der Studie.
Die Mia-Stihl-Kindertagesstätte wurde 2020 eröffnet.
Bei Stihl als Familienunternehmen habe man die Unterstützung der Väter und Mütter sehr genau im Blick, sagt Marlies Kepp, Referentin Externe Kommunikation bei Stihl. Denn: „Der Wunsch nach einer guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf wächst weiter.“ Zur besseren Unterstützung der Mitarbeitenden hat Stihl 2020 am Stammsitz in Waiblingen eine Betriebskita eröffnet, die Platz für bis zu 55 Kinder bietet. Auch an anderen Standorten werde die Kinderbetreuung weiter ausgebaut.
Teilzeitmodelle, Elternzeit und Partnermonate würden zunehmend nachgefragt und auch über die gesetzlich vorgesehenen Partnermonate hinaus in Anspruch genommen, sagt Marlies Kepp. „Besonders geschätzt werden flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten.“
An den meisten Standorten ließe sich die Arbeit so flexibel gestalten, dass Beschäftigte den Freiraum zur Betreuung von Kindern oder Angehörigen hätten und auch sonst andere besondere Lebenssituationen regeln könnten. Gleichzeitig werde deutlich, dass die Flexibilität Grenzen habe. „In bestimmten Funktionen – zum Beispiel im Schichtbetrieb in der Produktion oder Montage – ist mobiles Arbeiten nicht möglich“, bilanziert Marlies Kepp.
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