Recruiter suchen passsende Kandidaten für offene Stellen.
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Fachkräftemangel sorgt für Veränderungen im Recruiting

Professor Dr. Peter M. Wald über Entwicklungen im Recruiting angesichts des Fachkräftemangels, Sozialer Medien und KI
29.07.2025von Jennifer Uhlenbruch

Professor Dr. Peter M. Wald, seit 2009 Professor für Personalmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, forscht zu Recruiting-Methoden. 2024 hat der 65-Jährige eine Benchmark-Studie zu Recruiting-Strukturen mitherausgegeben, für die rund 1.300 HR-Mitarbeitende befragt wurden. Im Interview spricht er über Veränderungen im Recruiting und ordnet die Rolle der KI ein.

HC: Stelle ausschreiben, auf Bewerbungen warten, Kandidaten auswählen – ist dieser klassische Weg immer noch der wichtigste in vielen Unternehmen?

Prof. Dr. Peter M. Wald: Dieses passive Recruiting, wie ich es nenne, hat immer noch eine hohe Bedeutung bei der Personalbeschaffung. Die Firmen versuchen zunächst, auf sich aufmerksam zu machen, betreiben klassische Personalwerbung, sprich sie schalten Anzeigen bei Jobbörsen, und warten dann auf die richtigen Bewerber. „Post and Pray“ wird es mit einem Augenzwinkern auch gern genannt, denn das Unternehmen kann auf diese Weise nur hoffen, dass geeignete Kandidaten ihre Bewerbungen einsenden. 

Dem gegenüber steht Active Sourcing, das die alten Wege über den Haufen wirft. Die Recruiter durchsuchen aktiv die sozialen Netzwerke – vor allem LinkedIn und auch Xing – und sprechen potenzielle neue Mitarbeitende an. Sie suchen den Digital Footprint, also nach Spuren, die der mögliche Mitarbeiter im Netz hinterlässt, und überlegen: Passt er zum Unternehmen? Die große Chance dabei ist, dass Recruiter auch Kandidaten finden, die sich selbst nicht aktiv bewerben würden, aber durch die Ansprache dann vielleicht doch überlegen, zu wechseln. Vorreiter im Active Sourcing war vor etwa 20 Jahren die IT-Branche. Mittlerweile gibt es Active Sourcing in fast allen Bereichen.  

Professor Dr. Peter M. Wald forscht zu Recruiting-Methoden in Unternehmen.HTWK

Professor Dr. Peter M. Wald forscht zu Recruiting-Methoden in Unternehmen.

HC: Haben viele Unternehmen eine eigene Abteilung für Active Sourcing?

Prof. Dr. Peter M. Wald: In großen Unternehmen gibt es das durchaus, bei kleineren Unternehmen ist Active Sourcing eher eine Teilaufgabe. Auch Berater werden damit beauftragt, vor allem, wenn es um hochqualifizierte Stellen geht.

HC: Hat Active Sourcing in Zeiten des Fachkräftemangels an Bedeutung gewonnen?

Prof. Dr. Peter M. Wald: Ja, es ist deutlich wichtiger geworden. Die Unternehmen können nicht mehr davon ausgehen, dass sie nur über den klassischen Weg genügend qualifizierte Bewerbungen erhalten. Deswegen gehen immer mehr Unternehmen aktiv auf die Suche. Die Unternehmen bewerben sich bei den Kandidaten. Hier in Leipzig hängen Plakate eines Unternehmens, die beispielhaft dafür sind. „Wir bewerben uns bei dir!“, steht darauf. Einer meiner ehemaligen Studenten hat Bewerbungsmappen für Unternehmen an potenzielle Bewerber verschickt, in denen sich die Firmen präsentieren und die Benefits herausstellen. Er war damit erfolgreich.

HC: Hat sich Recruiting noch in anderen Bereichen verändert?

Prof. Dr. Peter M. Wald: Viele Unternehmen geben sich bei der Gestaltung des Bewerbungsprozesses mehr Mühe als früher, führen strukturiertere Interviews, versuchen, die Bewerber für ihr Unternehmen zu begeistern. Die Bedeutung des Onboardings muss bei den Unternehmen noch stärker in den Fokus rücken. Viele Firmen strengen sich an, neue Mitarbeiter zu finden, aber wenn die Unterschrift unter dem Vertrag trocken ist, werden diese oft allein gelassen.

Außerdem arbeitet man mehr mit Daten im Recruiting als noch vor zehn Jahren und evaluiert: Wie lange braucht es, um eine Stelle zu besetzen; wie viele Vertragsangebote mache ich; welche Recruiting-Methoden versprechen den größten Erfolg?

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Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch die Mitarbeiterempfehlung zu einer Einstellung kommt, ist extrem hoch.

Prof. Dr. Peter M. Wald

HC: Welche Recruiting-Methoden funktionieren denn am besten?

Prof. Dr. Peter M. Wald: Die Jobbörsen lagen 2023 auf dem ersten Platz, gefolgt von Mitarbeiterempfehlungen. Es ist ganz wichtig, dass freie Stellen auch im eigenen Unternehmen publik gemacht werden, denn dann überlegen die Mitarbeiter, wen sie noch kennen, und empfehlen die ausgeschriebene Stelle weiter. Und zwar nur denjenigen, die ihrer Meinung nach auf die Stelle und zum Team passen, sprich: Der Mitarbeiter trifft eine Vorauswahl. Die Mitarbeiterempfehlung spart so Kosten und Zeit. Das Onboarding ist auch oft leichter, weil der langjährige Mitarbeiter den Freund oder Bekannten in den ersten Tagen im Job nicht allein lässt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch die Mitarbeiterempfehlung zu einer Einstellung kommt, ist extrem hoch.

Auch die Karriereseite auf der Website des eigenen Unternehmens ist wichtig. Sie sollte leicht zu bedienen sein. Am besten sollte der potenzielle Bewerber dort authentische Einblicke bekommen und ein Gefühl, ob er zum Unternehmen passt.

HC: Welche Rolle spielt die KI für die Personalbeschaffung?

Prof. Dr. Peter M. Wald: Die KI ist bei den kommunikativen Aufgaben stark: Sie kann zum Beispiel die Stellenanzeige formulieren und beim Active Sourcing helfen, um in der Ansprache den richtigen Ton zu finden. Die KI kann Informationen von Bewerbern vergleichen. Dass die KI mehr oder minder selbstständig den geeigneten Bewerber auswählt, findet jedoch noch nicht statt. Es gibt bei großen Unternehmen schon Experimente, aber noch ist es Zukunftsmusik.

HC: Ist der Job des Recruiters durch die KI gefährdet?

Prof. Dr. Peter M. Wald: Wenn die KI in Zukunft im Auswahlprozess eingesetzt wird, dann gilt das für Teilbereiche schon. Der Recruiter muss sich auf strategische Aufgaben fokussieren, zum Beispiel entscheiden, welche Methode er zur Personalbeschaffung nutzt. Dazu muss er das Stellenprofil und die Anforderungen an den neuen Mitarbeiter ganz genau kennen. Essenziell ist und bleibt für ihn auch die Beziehungspflege, vor allem, wenn es um internes Recruiting geht. Der Personaler muss junge Talente im eigenen Unternehmen erkennen und aktiv ansprechen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels muss man diese halten und ihnen Weiterentwicklungsmöglichkeiten bieten.

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