
„Simon sagt! Was im Management wirklich zählt“ – so heißt der Titel des neuen Werks. Es basiert auf Notizen und Zitaten, die der frühere Wirtschaftsprofessor sowie Gründer und Ehrenvorsitzende der Unternehmensberatung Simon-Kucher in seinem langjährigen Berufsleben zusammengetragen hat. Jetzt hat er die wichtigsten Erkenntnisse seines „Zettelkastens“ zusammengefasst, kommentiert und eingeordnet.
HC: Das Buch steckt voll vielfältiger Impulse. Was ist auf Basis Ihrer Erfahrung der wichtigste Faktor, um Unternehmen dauerhaft zum Erfolg zu führen?
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon: Das ist sicherlich das Thema Führung, dem ich auch das erste Kapitel gewidmet habe. Führung ist der entscheidende Faktor, aber gleichzeitig ein Phänomen, das wir am wenigsten verstehen. Selbst die Wissenschaft weiß heute nicht, warum Menschen bestimmten Leadern folgen und anderen nicht, es lässt sich schlecht prognostizieren. Ich selbst bin überzeugt, dass man bodenständig und authentisch bleiben muss. Man kann die Führungsrolle nicht spielen, sie muss von innen kommen, dann findet Akzeptanz durch die Geführten statt.
Management ist eine komplexe Herausforderung – mehr dazu in diesem Video.
Aus meiner Sicht kommen die eindrucksvollsten Unternehmer aus der Gruppe der Hidden Champions.
HC: Wie „führend“ sind die deutschen Hidden Champions aus Ihrer Sicht in den Chefetagen aufgestellt?
Hermann Simon: Ich habe sehr viele Führungskräfte in Großunternehmen kennengelernt und eben auch sehr viele bei den mittelständischen, wenig bekannten Weltmarktführern. Die aus meiner Perspektive eindrucksvollsten Unternehmer kommen aus dieser Gruppe. Oft sind es Gründer, die ihre Idee selbst zum Erfolg geführt haben. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch, dass sie in der Regel sehr lange in der Führungsposition bleiben. Der Durchschnitt liegt bei den Hidden Champions bei 21 Jahren. Bei Großunternehmen beträgt die durchschnittliche Amtsdauer der Chefs sechs Jahre. Das sagt alles über die langfristige Orientierung. Allerdings bringt das auch eine besondere Nachfolgeproblematik mit sich …
HC: Sie sehen in der Nachfolgeregelung generell die größte Herausforderung für Unternehmer. Ihre Tipps, insbesondere für die Gruppe der Hidden Champions?
Hermann Simon: Jedes Jahr stehen mehr als Hunderttausend Familienunternehmen vor der Nachfolge, darunter prozentual entsprechend viele Hidden Champions. Die meisten dieser Unternehmen sind Familienunternehmen. Es ist per se nicht leicht, in die Fußstapfen langjährig erfolgreicher Chefs zu treten. Hinzukommt, dass das traditionelle Modell heute nicht mehr funktioniert: Man kann nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass die Kinder – ob Sohn oder Tochter – in der Lage sind, solche doch komplexen, global aufgestellten Unternehmen zu führen. Dazu kommt die Frage, ob sie es überhaupt wollen. Daher ist mein wichtigster Rat, sich rechtzeitig Gedanken zu machen, am besten schon in den 50er-Lebensjahren. Man sollte frühzeitig potenzielle Nachfolger einbinden, nicht alles selbst entscheiden, sie in verantwortungsvolle Positionen hineinwachsen lassen.
Bei externen Nachfolgern stelle ich übrigens häufiger fest, dass der erste Versuch nicht gelingt. Dann muss konsequent nach einer neuen Lösung gesucht werden. Neben der Fach- und Führungskompetenz ist es ganz wichtig, dass der zukünftige Chef mit der Familie harmoniert.
In Summe machen viele kleine Verbesserungen Perfektion aus, verdeutlicht Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon in diesem Video am Beispiel des Hidden Champions Stihl.
Die vielen Detailregelungen und Vorschriften, die wir in der Politik beklagen, finden sich auch in Unternehmen.
HC: Die meisten Unternehmen leiden an einem „Zuviel an Management“ – so zitieren Sie Jimmy Treybig, den Gründer von Tandem Computer in Ihrem Buch. Welches „Zuviel an Management“ sehen Sie?
Hermann Simon: Die vielen Detailregelungen und Vorschriften, die wir in der Politik beklagen – ob auf EU- oder Bundesebene – finden sich auch in Unternehmen. Je größer die Unternehmen werden, desto stärker trifft das häufig zu. Ursache ist mangelndes Vertrauen in die Mitarbeiter. Alles vorzuschreiben und zu kontrollieren, schafft jedoch Starrheit und Langsamkeit. Gerade die Hidden Champions aber zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Mitarbeitern viele Freiheitsgrade in der Umsetzung lassen, während die gewünschte Richtung und die Prioritäten klar von oben geregelt sind. Ich bin ein großer Fan dieser sogenannten auftrags- oder missionsorientierten Führung. Gleichzeitig ist mir natürlich bewusst, dass diese Führungsmethode selbstständig denkende, qualifizierte Mitarbeiter voraussetzt.
HC: Wie navigiert man ein Unternehmen durch derart unruhige und geopolitisch herausfordernde Zeiten, wie wir sie aktuell haben?
Hermann Simon: Jedes Unternehmen hat ja einen Plan, wo es beispielsweise in fünf oder zehn Jahren stehen will, was man eine Vision oder Strategie nennt. Wurde dieser Plan vor zwei Jahren formuliert, waren wahrscheinlich die Zölle von Trump noch nicht Teil der Gedankenspiele, obwohl das Risiko internationaler Handelsbarrieren natürlich immer gegeben ist. Liegt die Formulierung noch weiter zurück, sind Ukrainekrieg und Energiekrise nicht berücksichtigt. In solchen Situationen, wenn Strategie und Realität in Konflikt geraten, muss die Strategie geopfert werden. Man muss sich flexibel der neuen Situation anpassen, das sollte schnell gehen, kann aber zunächst schrittweise und testend geschehen.
 Cäcilia Simon
Cäcilia Simon Das neue Buch von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon ist im Murmann Verlag erschienen.
HC: Was wäre denn Ihre unternehmerische Antwort auf die Trump-Administration?
Hermann Simon: Es sind kurz- und langfristige Überlegungen zu unterscheiden. Wenn man annimmt, dass die Zölle auf längere Sicht bleiben und die USA ein wichtiger Abnehmer sind, dann muss Produktion in die USA verlagert werden. Gegen die Zölle gibt es sonst kein Mittel. Aus meiner Sicht sind die USA in den letzten zwei Jahrzehnten ohnehin strategisch vernachlässigt worden. Warum? Weil die Wachstumschancen in China so groß waren. 60 Prozent der Hidden Champions haben eigene Produktionsstätten in China, ein weitaus geringerer Prozentsatz in den USA.
Eine kurzfristig umsetzbare Maßnahme sind Preisanpassungen. Europa wurde mit Zöllen in Höhe von 15 Prozent belegt. Es wäre ein Fehler, jetzt auch die Preise für den US-Markt um 15 Prozent zu erhöhen, da dann die negativen Reaktionen der amerikanischen Kunden garantiert in hohem Maße folgen. Exporteure in die USA sollten ihre Herstellerabgabepreise um einen gewissen Prozentsatz senken, dennoch steigen wegen der Zölle die Verkaufspreise in den USA. Folge sind ein Rückgang des Deckungsbeitrags und der Absatzmenge. Das muss durch Preisanpassungen in anderen Ländern ausgeglichen werden, ich nenne das Rebalancing. Das gesamte globale Portfolio muss im Hinblick auf Vertrieb und Preis anders aufgestellt, die gesamte Wertschöpfungskette bezüglich der Auswirkungen betrachtet werden.
Entscheidend ist, den wahrgenommenen Wert und den Kundennutzen seiner Produkte beziehungsweise Dienstleistungen ganz genau zu kennen.
HC: Als Gründer und Ehrenvorsitzender von Simon-Kucher ist Pricing Ihre Paradedisziplin. Sie sagen: Manager haben Angst vor dem Preis. Warum? Und welcher Weg führt daraus?
Hermann Simon: Um zunächst die Bedeutung des Preises hervorzuheben: Es gibt drei Gewinntreiber – den Preis, die Kosten und die Absatzmenge. Der Preis ist dabei der effektivste Gewinntreiber. Die Angst vor dem Preis hat zwei Ursachen: Zum einen ist der Kunde ein schwer kalkulierbarer Unsicherheitsfaktor. Wenn ich den Preis erhöhe, weiß ich nicht: Springt der Kunde ab, bleibt er treu, welche Preiserhöhung akzeptiert er? Bei Preissenkungen ist unklar, ob sich die Absatzmenge ausreichend erhöhen wird. Der zweite Unsicherheitsfaktor ist die Konkurrenz. Zieht sie bei Preiserhöhungen mit? Das wäre gut. Zieht sie bei Preissenkungen nach? Dadurch würde der Effekt eher verpuffen.
Entscheidend ist, den wahrgenommenen Wert und den Kundennutzen seiner Produkte beziehungsweise Dienstleistungen ganz genau zu kennen. Das muss quantifiziert werden und darin liegt übrigens die Kernkompetenz von Simon-Kucher in der Beratung. Ist man fünf, zehn oder 15 Prozent besser als die Konkurrenz? Das muss man wissen. Mein Ratschlag lautet, von diesem „Bessersein“ nur die Hälfte auf den Preis aufzuschlagen, damit der Kunde auch einen Vorteil hat. Die Römer waren schlau: In der lateinischen Sprache gibt es für Preis und Wert dasselbe Wort, nämlich pretium. Der Preis sollte immer den wahrgenommenen Wert beziehungsweise Kundennutzen reflektieren.
HC: Sie sind selbst Unternehmensberater, also nicht ganz unvoreingenommen. Dennoch die Frage: Wie wichtig ist externe Beratung?
Hermann Simon: Gerade in Zeiten großer Unsicherheit und Veränderungen halte ich es für wichtig, die Stimme von außen zu hören. Der große Vorteil des Beraters ist ja, dass er Erfahrungen aus anderen Unternehmen und Branchen mitbringt. Man kauft sich dabei auch Informationen ein, die man selbst im Unternehmen nicht hat. Produkte, Systeme, Prozesse werden zudem immer komplexer und erfordern mehr Know-how. Das selbst aufzubauen – beispielsweise auch rund um Künstliche Intelligenz – könnte lange dauern. Gleichzeitig ist Zeit heute die wahrscheinlich wichtigste Knappheitsressource. Ich halte daher auch viel von unternehmensübergreifender Kooperation, also dem Aufbau sogenannter Business-Ökosysteme. Der Hidden Champion MK Technology ist da ein gutes Beispiel. SpaceX baut die Brennkammern seiner Raketen auf Anlagen von MK Technology. Wie kann eine kleine deutsche Firma eine solche Expertise erreichen? Die Antwort: MK Technology kooperiert mit zwei Unternehmen aus China sowie je einem aus Israel, Frankreich und Deutschland. Die Spezialkenntnisse dieser sechs Firmen kommen zusammen und dadurch lässt sich eine derart hochentwickelte, hochkomplexe Lösung schaffen.

Unsere Karte zeigt, wo Innovation und weltweiter Erfolg auch abseits der Metropolen stattfindet.
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Nehmen Sie mit uns Kontakt auf, wenn Sie einen Hidden Champion kennen und dieser bisher nicht bei uns aufgelistet wird.
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