Möglichkeiten zur Entwicklung und Weiterbildung sorgen für zufriedene Mitarbeiter, die im Unternehmen bleiben.
contrastwerkstatt - stock.adobe.com

Benefits sind nur die halbe Miete – was Mitarbeiter wirklich bindet

Entwicklungsperspektiven sind das, was Mitarbeitende langfristig motiviert und im Unternehmen hält.
26.08.2025von Jennifer Uhlenbruch

Fitnessstudio-Zuschüsse, Firmenevents oder Freizeitbeschäftigungen – Unternehmen sind kreativ, wenn es um Benefits für ihre Mitarbeitenden geht. Klar: Die Angebote sind wichtig für die Gesundheit und das Gemeinschaftsgefühl der Belegschaft. Um Mitarbeitende jedoch langfristig an sich zu binden, gibt es für Hidden Champions einen anderen, viel entscheidenderen Faktor.

„Wegen Benefits bleibt niemand“, da ist sich Heidrun Hausen, Personalleiterin und Mitglied der Geschäftsleitung von Delo Industrie Klebstoffe, sicher. „Wenn man jemanden lange motivieren und halten will, ist es unbedingt erforderlich, Perspektiven zu bieten.“ Die Mitarbeitenden in ihrer Entwicklung zu unterstützen und dadurch langfristig an das international agierende Unternehmen zu binden – das ist das zentrale Ziel der Personalpolitik beim Windacher Hidden Champion, der sich auf die Entwicklung und Herstellung von Hightech-Klebstoffen spezialisiert hat. 

Heidrun Hausen weiß, dass es wichtig ist, Mitarbeitenden Perspektiven zu bieten, um sie zu halten.Delo

Personalleiterin Heidrun Hausen weiß, dass es wichtig ist, Mitarbeitenden Perspektiven zu bieten, um sie zu halten.

„Wir wollen, dass Sie bis zur Rente bei uns bleiben.“ Das signalisiert Heidrun Hausen Bewerberinnen und Bewerbern gern bereits im Vorstellungsgespräch. Denn Delo investiert viel Zeit und Geld in die Ausbildung neuer Teammitglieder. „Zunächst gibt es eine Introduction – Onboarding, das Kennenlernen der Softwares und die Aufklärung zur Arbeitssicherheit. Dann kommt das Basismodul, in dem alle Mitarbeitenden die Grundlagen unseres Klebstoffwissens lernen, auch wenn sie später nicht technisch arbeiten werden. Am Ende findet ein kleiner Wissenstest statt. Danach folgt für einige das Intensivmodul, das sich je nach Berufsgruppe unterscheidet. Hier werden zum Beispiel Labor- oder Gerätewissen vermittelt oder es werden simulierte Kundengespräche geführt. Auch am Ende dieses Moduls steht eine mündliche und schriftliche Prüfung“, erklärt Heidrun Hausen.

Diese Einführungsphase dauert bis zu zweieinhalb Monate, und erst dann beginnt die Einarbeitung in die Abteilung, die ebenfalls ein halbes Jahr dauert. „Wenn die Mitarbeitenden dann nur zwei Jahre bleiben, lohnt sich das natürlich nicht“, sagt Hausen.

Weiterbildung an eigener Academy

Die Weiterentwicklung der langjährigen Mitarbeitenden hat Delo mit seiner eigenen Academy ebenfalls im Blick. „Ursprünglich, vor rund 25 Jahren, war sie rein technisch getrieben, weil die Ingenieure ohne Klebstoffwissen von der Uni kamen. Die vorherrschende Meinung dort war, dass ein anständiger Ingenieur schraubt oder schweißt, aber nicht klebt. Das mussten wir ihnen beibringen“, erinnert sich Heidrun Hausen. Mittlerweile arbeitet Delo mit vielen Hochschulen zusammen. „Das ist ein großer Vorteil fürs Recruiting, weil die Studierenden zu uns ins Labor kommen und die Firma kennenlernen.“ Seit zehn Jahren belegen Mitarbeitende aus allen Bereichen und auch Kunden in der Academy Webinare und Seminare.

quote icon

Den jungen Kolleginnen und Kollegen ist es wichtig, dass sich die Veränderungen in der Tätigkeit auch im Titel und in der Eingruppierung niederschlagen.

Heidrun Hausen

„Auch Führungskräfte werden dort ausgebildet – wieder in einem Stufensystem, wonach die Mitarbeitenden zunächst kommissarische Führungskräfte sind und erst nach einer Bewährungszeit sowie einer umfassenden Feedbackrunde endgültig Führungskraft werden. „Junge Führungskräfte haben daran ein großes Interesse. In den 80er-Jahren sahen sich viele allein durch ihr hohes Technikwissen als gute Führungskraft, heute gehört dazu viel mehr“, sagt Personalleiterin Hausen.

Idee der „Karrierepfade“ entstand

Eine weitere Veränderung hat sie bei den Mitarbeitenden bemerkt. „Vor 15 Jahren hat sich die Arbeit in unserem immer weiterwachsenden Unternehmen auch ständig verändert, aber die Mitarbeitenden behielten oft Job und Titel. Den jungen Kolleginnen und Kollegen ist es wichtig, dass sich die Veränderungen in der Tätigkeit auch im Titel und in der Eingruppierung niederschlagen.“ So ist im Unternehmen Delo die Idee für „Karrierepfade“ entstanden. Die Mitarbeitenden wissen durch veröffentlichte Entwicklungspfade jederzeit, wo sie stehen, welche Aufgaben oder Entwicklungen sie noch machen müssen, um zum Beispiel Senior zu werden. In Gesprächen wird die Entwicklung thematisiert. „Die Karrierepfade schaffen Transparenz für beide Seiten. Das ist sehr viel Arbeit, aber über die Jahre zahlt sich das aus“, davon ist Hausen überzeugt.

Thomas Oswald ist sehr zufrieden mit seiner Entwicklung bei Delo.Delo

Thomas Oswald ist sehr zufrieden mit seiner Entwicklung bei Delo.

Der Erfolg gibt Delo Recht: Die meisten der rund 1200 Mitarbeitenden weltweit, davon 900 in Windach, sind langjährig im Unternehmen. „Die Fluktuationsquote liegt derzeit bei knapp vier Prozent. Dabei ist die Hauptfluktuation durch Schwangerschaften bedingt, und die Frauen kommen ja wieder“, ordnet Hausen ein. Das Durchschnittsalter liegt bei 37 Jahren. „Weil wir in den letzten Jahren stetig um etwa 80 bis 160 Kolleginnen und Kollegen pro Jahr gewachsen sind.“

„Durch das Wachstum des Unternehmens selbst zu wachsen und sich weiterzuentwickeln – das schätzt Thomas Oswald, Werkstattleiter der Abteilung „Mechanische Verfahrenstechnik“, der seit vielen Jahren bei Delo beschäftigt ist. Der heute 37-Jährige begann 2008 als Industriemechaniker in der Werkstatt. Nach zwei Jahren ging er auf die Technikerschule, um staatlich anerkannter Maschinenbautechniker zu werden. „In dieser Zeit habe in den Ferien bei Delo weitergearbeitet.“

Stelle der Werkstattleitung sorgte für Rückkehr

Nach dem Abschluss blieb der Kontakt bestehen, auch wenn Oswald zunächst nicht zu Delo zurückkehrte. Bis 2012 die Stelle der Werkstattleitung frei wurde und ihn reizte: „Wir machen Sondermaschinenbau für unsere hauseigenen Produktionsanlagen, sprich: Stückzahl 1 und nicht hundertmal das Gleiche. Das macht die Aufgabe inhaltlich attraktiv“, erklärt Oswald. Außerdem entwickeln sich auch sein Job und die Auftragslage in der Werkstatt mit dem Wachstum von Delo ständig weiter. „Die Werkstatt ist mittlerweile doppelt so groß wie früher, ich habe ein junges Team, bin Ausbildungsbeauftragter.“

Thomas Oswald ist sehr zufrieden mit seiner Entwicklung im Unternehmen. „Natürlich stelle ich mich mal an die Maschine, wenn Not am Mann ist. Aber ich will das nicht mehr dauerhaft machen. Als Führungskraft habe ich großes Interesse an der Organisation und am Kontakt mit den Kunden. Das Wachstum zu begleiten, macht mir viel Spaß.“

Michael Kallweit ging für Alberdingk Boley nach China.Thomas Lammertz

Michael Kallweit ging für Alberdingk Boley nach China.

Im selben Unternehmen zu bleiben und sich dort im Laufe der Jahre weiterzuentwickeln – diesen Weg kennt auch Michael Kallweit, der seit 2008 für Alberdingk Boley arbeitet. Bereits den betrieblichen Teil seiner Ausbildung zum Chemikanten absolvierte der heute 33-Jährige bei dem Krefelder Hidden Champion, der in der Herstellung umweltfreundlicher Bindemittel weltweit erfolgreich ist. Er machte seinen Meister, wurde Produktionsmeister am Hauptsitz des Unternehmens und arbeitete später dort im Troubleshooting.

Langfristiger Einsatz in China

2022 wechselte er – nicht die Firma, aber den Kontinent: Michael Kallweit ging nach China. „Das Unternehmen ist auf mich zugekommen – zuerst nur für einen befristeten Einsatz, um bei der Inbetriebnahme der neuen Produktionsanlage in Zhuhai zu helfen und die ersten Produktionen dort zu begleiten. Aber schon bald haben wir gemerkt, dass das super passt, und daraus wurde dann eine längerfristige Aufgabe. Die Arbeit hier macht mir sehr viel Spaß und es läuft gut. Außerdem komme ich gut mit den Kollegen hier aus. Zhuhai ist zudem eine sehr lebenswerte Stadt.“

Seit drei Jahren ist Kallweit nun fest vor Ort und als Produktionsmanager für die Quantität und die Qualität der Produkte des chinesischen Werks verantwortlich. „Das Spannende war vor allem die Verantwortung für eine so wichtige Aufgabe, die für den Standort und die Firma insgesamt eine große Bedeutung hat. Es ist auch eine tolle Chance, persönlich zu wachsen. Es gibt viele neue Aufgaben, bei denen man viel Neues lernen kann. Außerdem finde ich es super spannend, andere Kulturen und Arbeitsweisen kennenzulernen. Das ist nicht nur interessant, sondern auch wichtig, um in einem internationalen Unternehmen gut zusammenzuarbeiten. Man kann voneinander lernen, wenn man offen dafür ist.“


quote icon

Nur durch Mitarbeiterzufriedenheit können wir Mitarbeiter an uns binden. Wenn die nicht da ist, kann man noch so viele Goodies haben – es reicht nicht.

Martina Bielen

Schon vorher sei er dem Unternehmen sehr verbunden gewesen, habe gern dort gearbeitet. „Diese Entwicklung, die man mir ermöglicht hat, hat das noch einmal gestärkt. Für mich ist das eine wichtige Entscheidung gewesen, hier zu bleiben, weil ich die Aufgaben spannend finde und mich persönlich weiterentwickeln kann.“

Für Martina Bielen aus der Unternehmenskommunikation von Alberdingk Boley ist Michael Kallweit ein Paradebeispiel, wie Mitarbeiterbindung durch Mitarbeiterentwicklung gelingen kann. „Der Mitarbeiter muss das Gefühl haben, eingebunden zu sein, und wissen: Hier kann ich mich weiterentwickeln, wenn ich das möchte. Das macht den Arbeitgeber erfolgreich“, ist Martina Bielen überzeugt. „Dazu gehört für uns auch, dass ein Mitarbeiter nicht für immer in seinem gelernten Beruf arbeiten muss. Vielleicht entdeckt er im Laufe der Jahre andere Talente, und wir schauen dann, wie er unterstützt und geschult werden kann. Nur durch Mitarbeiterzufriedenheit können wir Mitarbeiter an uns binden. Wenn die nicht da ist, kann man noch so viele Goodies haben – es reicht nicht“, sagt Martina Bielen.

quote icon

Wenn hier ein Mitarbeiter mit dem Geschäftsführer sprechen möchte, dann macht er das. Wir haben hier die Strategie der offenen Türen.

Martina Bielen

„Wir sind ein Mittelständler, kein Riesenkonzern. Wir sind 500 Leute, da ist es schon bemerkenswert, dass wir es möglich machen, dass zum Beispiel ein Produktionsmeister mal ein Jahr in die USA oder nach China geht und dann wiederkommt. Oder auch nicht, wenn er dort die Liebe seines Lebens gefunden hat. Ein an uns gebundener Mitarbeiter ist Gold wert“, weiß Martina Bielen.

Gerade für Alberdingk Boley als Hidden Champion sei es zentral, die Teammitglieder, die man habe, zu halten. „Wir haben das schon vor Langem erkannt. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen und stehen in Konkurrenz mit den ganz großen Konzernen unserer Branche, auch um die Arbeitskräfte. Viele junge Menschen wollen zu einem großen Konzern, weil sie denken, dass sie sich dort besser entwickeln können. Aber hier bei uns sind die Entscheidungswege kürzer, die Atmosphäre ist eine andere. Wenn hier ein Mitarbeiter mit dem Geschäftsführer sprechen möchte, dann macht er das. Wir haben hier die Strategie der offenen Türen.“

Serie: Vom Hidden zum Visible Champion

Serie: Vom Hidden zum Visible Champion

Teil 2 – Die Hidden Champions Grob, Groninger und ifm-Unternehmensgruppe berichten, mit welchen Maßnahmen sie ihre Sichtbarkeit erhöhen.

Dr. Anika Jansen ist Senior Economist beim Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung.

Dr. Anika Jansen: Internationale Fachkräfte bieten Chancen

Qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus aller Welt können ein Mittel gegen den Fachkräftemangel in Deutschland sein.

EMO in Hannover: Guided Tours zu den Hidden Champions

EMO in Hannover: Guided Tours zu den Hidden Champions

Vom 22. bis 26. September findet erneut die Weltleitmesse der Produktionstechnologie statt. Wir navigieren Sie ohne Umwege zu den marktführenden Ausstellern.

Serie: Vom Hidden zum Visible Champion

Serie: Vom Hidden zum Visible Champion

Teil 1 – Warum Sichtbarkeit so wichtig ist, zunehmend wichtiger wird, und nicht mit Bekanntheit verwechselt werden sollte.

Hidden Champions in Deutschland

Hidden Champions in Deutschland

Unsere Karte zeigt, wo Innovation und weltweiter Erfolg auch abseits der Metropolen stattfindet.

Hidden Champion hinzufügen

Hidden Champion hinzufügen

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf, wenn Sie einen Hidden Champion kennen und dieser bisher nicht bei uns aufgelistet wird.

Wir bringen Hidden Champions ins Rampenlicht.