Hidden Champions zeichnen sich durch hohe Langlebigkeit aus. Prof. Dr. Hermann Simon ermittelte einen Durchschnittswert von 70 Jahren, viele sind sogar 100 Jahre und älter. Bei etwa 70 Prozent der deutschen Hidden Champions wiederum handelt es sich ihm zufolge um rein private Familienunternehmen. Schauen wir uns mit Experten-Unterstützung an, was diese Unternehmen enkelfähig macht.
Andreas Mach, Gründer und Sprecher des Familienunternehmernetzwerks sowie Think Tanks Alphazirkel, stellt zunächst klar: „Unternehmerische Wege zum Erfolg über Generationen hinweg sind so vielfältig wie die Unternehmen und ihre Familien selbst.“ Und doch gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten, wie er in einem mehrjährigen Forschungsprojekt zwischen 2020 und 2024 zusammen mit Prof. Dr. Torsten Wulf vom Lehrstuhl für Strategisches Management der Universität Marburg herausgefunden hat. Persönliche Interviews mit 20 Familienunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mündeten in dem Buch „Familienunternehmen erfolgreich über Generationen“.
Andreas Mach, Gründer und Sprecher des Familienunternehmernetzwerks sowie Think Tanks Alphazirkel.
Grundlage für unternehmerische Langlebigkeit ist demnach „die Fähigkeit, sich an den technologischen Wandel anzupassen, ja, sich in der Geschichte sogar häufig neu zu erfinden, wenn der Markt das erfordert“, unterstreicht Andreas Mach. Gerade jetzt komme es darauf an, „wie es gelingt, traditionelle Geschäftsmodelle profitabel für die noch digitalere Welt umzubauen“. Dabei ist der Alphazirkel-Gründer und Buch-Mitherausgeber sicher: „Viele Familienunternehmen dürften auch für diese Herausforderung gut gerüstet sein.“
Eine wesentliche Erkenntnis: „Erfolgreiche Familienunternehmen zeichnen sich stets durch ihre langfristige Orientierung, die vergleichbar bessere Rentabilität und konservativere Finanzstruktur aus. Das verleiht ihnen gerade in Krisen, wie der Finanzkrise 2008, der Coronakrise 2020 bis 2022 oder der Energiekrise 2022 in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, eine größere Resilienz“, fasst Andreas Mach zusammen. Fakt ist: „Finanzielle Solidität steht für geringere Abhängigkeit von externer Finanzierung und damit bessere Cashflow-Renditen.“
Was sich laut Andreas Mach außerdem wie ein roter Faden durch die Geschichten der Familienunternehmen zieht, ist die Zurückhaltung der Anteilseigner. „Diese sind nicht selten bereit – und das sogar über längere Zeit – auf Dividenden zu verzichten und aus dem eigenen Vermögen Kapital ins Unternehmen einzubringen, um es stabiler und unabhängiger zu machen.“ Damit senden die Unternehmerinnen und Unternehmer vorbildliche Signale, denn: „So akzeptieren Mitarbeitende auch in Notlagen Gehaltskürzungen eher und arbeiten engagiert an der Bewältigung einer Unternehmenskrise mit. Sie identifizieren sich stärker, als dies bei Konzernen mit anonymen Anteilseignern und/oder ‚überbezahlten‘ Top-Managern der Fall ist.“
In Familienunternehmen denkt und handelt man vielfach nicht nur weit über Quartale hinaus. „Häufig haben diese Firmen über Jahrzehnte hinweg denselben Familien-CEO und bieten auch dadurch ein hohes Maß an Kontinuität und Verlässlichkeit“, nennt Andreas Mach einen weiteren wichtigen Aspekt und verweist darauf, dass laut DAX-Vorstandsreport die Verweildauer eines CEO einer börsennotierten DAX-Gesellschaft bei etwa vier Jahren liegt. Zum Vergleich: Bei Hidden Champions ermittelte Prof. Dr. Hermann Simon im Jahr 2021 einen Durchschnittswert von 21 Jahren. „In manchen Familienunternehmen, gerade in ländlichen Regionen, arbeiten auch auf Mitarbeiterseite mehrere Familienmitglieder generationsübergreifend im selben Betrieb und fühlen sich dem Unternehmen und seiner Gesellschafterfamilie verbunden“, fügt Andreas Mach hinzu.
Unternehmer-Coach Dr. Dorothea von Wichert-Nick hält gesellschaftliche Verantwortung für einen wesentlichen Baustein für langfristigen Erfolg.
Die Verbundenheit liegt auch in „einem starken Wertekanon der Unternehmen begründet, gepaart mit großem sozialem Verantwortungsgefühl – nicht nur den Mitarbeitenden, sondern auch der Region und Gesellschaft sowie Umwelt und Klima gegenüber“, fand Andreas Mach gemeinsam mit Prof. Dr. Torsten Wulf und seinem Team heraus. Kein Wunder, dass das Modell eines familienfremden Managements offenbar auch nur dann erfolgreich funktioniert, „wenn es eine Passung von familienfremdem Management mit der Unternehmerfamilie gibt, und die Top-Manager die Werte des Unternehmens und der Familie respektvoll mittragen“. Das leitet zum Thema Nachfolge über.
Im „IFC Family Business Governance Handbook“ (www.ifc.org) heißt es, dass Familienunternehmen „ihre Lebensfähigkeit deutlich verbessern können, wenn sie die richtigen Führungsstrukturen installieren und mit der Ausbildung und Vorbereitung nachfolgender Generationen auf Führungsaufgaben im Unternehmen so früh wie möglich beginnen“. Das gilt umso mehr, je größer Gesellschafterkreise und je heterogener Familien im Laufe der Jahrzehnte werden. Andreas Mach weiß aus Erfahrung, dass die „Mischung aus Emotionen, Sympathien und Antipathien, persönlichen Interessen und Präferenzen der Gesellschafterfamilie das Unternehmen auch in existenzielle Schwierigkeiten bringen kann“. Worin sieht der Experte die enkelsichere Lösung? „Als Pfeiler für nachhaltiges Bestehen über Generationen hat sich ein von allen Beteiligten akzeptiertes Regelwerk für die Familien- und Unternehmensführung bewährt, eine Art Familienverfassung, die Identität und Klarheit stiftet.“ Im Zweifel sollten Familienunternehmen frühzeitig auf eine unabhängige und objektive Hilfe von außen zurückgreifen, empfiehlt der Alphazirkel-Gründer – und das nicht nur rund um das Thema Nachfolge, sondern generell in Zeiten von großen Umbrüchen und Verwerfungen.
Eine hilfreiche Informationsquelle dürfte auch die 2009 gegründete gemeinnützige WIFU-Stiftung (www.wifu.de) sein, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Forschung und Lehre auf dem Gebiet des Familienunternehmertums sowie den Praxistransfer der Erkenntnisse zu fördern. Zu den wichtigsten Förderern zählen rund 80 Familienunternehmen aus dem deutschsprachigen Raum. Als eine der zahlreichen Publikationen wird beispielsweise der Praxisleitfaden „Die acht Weisheiten langlebiger Familienunternehmen“ herausgegeben. Der Leitfaden fasst Forschungsergebnisse von Dennis T.Jaffe, Psychologe, Organisationsberater und Professor emeritus der Saybrook University in San Francisco, über langlebige Familienunternehmen aus verschiedenen Weltregionen zusammen. Diese sind weitgehend deckungsgleich mit den bereits vorgestellten Erfolgsformeln und zeigen einmal mehr, wie bedeutsam auch softe Faktoren sind:
Auch Unternehmer-Coach Dr. Dorothea von Wichert-Nick wollte verstehen, was Unternehmen enkelsicher macht und hat bei ihren Recherchen entdeckt, dass erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer „voll und ganz in ihren Unternehmen präsent, visionär mit einem klaren Blick für die Zukunft, tief im Detail und dennoch strategisch sind“. Darüber hinaus hat sie folgende, aus Ihrer Sicht überraschende Faktoren gefunden: Spaß (Freude am Gestalten), tiefe Menschlichkeit und – hier ist sie wieder – gesellschaftliche Verantwortung.
Familienunternehmen sind weltweit für die Prosperität der Volkswirtschaften im 21. Jahrhundert von größter Bedeutung.
Das Fazit von Andreas Mach: „Unternehmen in Familienbesitz können durch ihre aus der Unternehmenskultur stammende Nachhaltigkeit das merkantilistische Gewinnstreben in einer besseren Balance halten und die aktuell bedeutsamer werdenden Herausforderungen der Ökologie, des technischen Wandels und der sozialen Belange besser meistern. Deshalb sind und bleiben Familienunternehmen weltweit für die Prosperität der Volkswirtschaften im 21. Jahrhundert von größter Bedeutung.“
Weiterer Lesetipp rund um das Thema Langlebigkeit: Unser Beitrag zu den aktuell Hundertjährigen unter den Hidden Champions.
Unsere Karte zeigt, wo Innovation und weltweiter Erfolg auch abseits der Metropolen stattfindet.
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