
Der Erfolg vieler Hidden Champions wäre ohne sie nicht denkbar: Deskless Worker sorgen u.a. in Produktion und Service dafür, dass alles läuft. Aber immer weniger Menschen wollen diese Jobs machen. Warum das so ist und wie Unternehmen dennoch Beschäftigte dafür gewinnen können, erklärt Professor Dr. Peter M. Wald, Professor für Personalmanagement an der HTWK Leipzig, in seinem neuen Buch.
HC: In Ihrem 2025 erschienenen Sammelband „Deskless Work und Personalmanagement. Ideen, Praxiserfahrungen und Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeit“ haben Sie die Deskless Worker in den Fokus gestellt. Was macht diese Gruppe aus?
Prof. Dr. Peter M. Wald: Unter diesem Titel fasse ich alle Berufstätigen zusammen, die nicht an einem Schreibtisch arbeiten und die zu einer bestimmten Zeit an einem Ort physisch präsent sein müssen, um ihre Arbeit zu erledigen. Mehr als 75 Prozent der Berufstätigen weltweit arbeiten nicht am Schreibtisch. Auch bei den Hidden Champions spielen Deskless Worker eine entscheidende Rolle, zum Beispiel in der Fertigung und Dienstleistung. Dennoch hat man sich in der Forschung bisher eher auf die Schreibtisch-Jobs konzentriert. Mein Buch soll den Fokus auf die Mitarbeitenden abseits des Schreibtisches lenken – und Impulse geben, wie Unternehmen es schaffen können, neue Fachkräfte für diese Bereiche zu gewinnen und auch zu halten.
HTWKProfessor Dr. Peter M. Wald hat die Deskless Worker in den Fokus seines neuen Buches gestellt.
HC: Ist der Fachkräftemangel im Deskless-Bereich denn besonders groß?
Peter M. Wald: Ja, er ist massiv. Als Folge des KI-Einsatzes können wir perspektivisch einen leicht rückläufigen Bedarf für Arbeiten am Schreibtisch beobachten. Aber die KI kann die Deskless Worker nicht ersetzen, und ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das in naher Zukunft gelingen sollte. Die Vakanzzeiten für offene Stellen im Deskless-Bereich sind laut Bundesagentur für Arbeit häufig noch deutlich länger als in anderen Bereichen. Viele Unternehmen berichten mir von erheblichen Problemen, offene Stellen zu besetzen und Auszubildende zu finden.
HC: Wieso fällt es Unternehmen besonders schwer, diese Stellen zu besetzen?
Peter M. Wald: Ein großer Punkt, warum diese Jobs nicht als attraktiv empfunden werden, ist die fehlende Flexibilität. Den Schreibtisch-Beschäftigten wird – verstärkt noch durch Corona – viel mehr Freiraum in der Gestaltung ihrer Arbeit durch die Unternehmen ermöglicht. Sie können im Homeoffice arbeiten, haben Gleitzeiten; sogar Workation – also arbeiten am Urlaubsort – ist möglich geworden. Diese zentralen, für Schreibtisch-Arbeiter oft selbstverständlichen Benefits gibt es für Deskless Worker meist nicht, weil in Schichten gearbeitet wird, das Band läuft …
Und es gibt seitens der Unternehmen oft auch keine Angebote, die einen gewissen Ausgleich dafür schaffen. Viele Unternehmen tun sich sehr schwer, in diesen Bereichen neu zu denken; die Systeme sind oft sehr starr. Noch scheint die Not nicht groß genug zu sein, aber es ist eine Frage von Monaten, bis sich die Lage weiter zuspitzt. Denn: Immer mehr Boomer gehen in Rente. Die Unternehmen haben bald keine Wahl mehr: Sie müssen die Jobs im Deskless-Bereich attraktiver gestalten.
Ein zusätzlicher freier Tag im Monat, nicht kombinierbar mit Urlaub, kann zur Gleitzeit der Deskless Worker werden.
HC: Wie kann diese Attraktivitäts-Steigerung gelingen?
Peter M. Wald: Nur weil die bekannten Formen der Flexibilisierung der Arbeit nicht greifen, heißt es nicht, dass gar keine Flexibilität möglich ist. Schichtpläne können zum Beispiel in Absprache mit den Mitarbeitenden erstellt werden, spontane Tauschmöglichkeiten innerhalb des Teams müssen eigenverantwortlich möglich sein – das schafft Freiräume und zeigt, dass man den Mitarbeitenden vertraut. Man kann auch über Inselfertigung nachdenken, die das Band ersetzt und wo Mitarbeitende selbstbestimmt in ihrem Team arbeiten. Aber das ist natürlich eine aufwändige und kostspielige Veränderung.
Ein zusätzlicher freier Tag im Monat, nicht kombinierbar mit Urlaub, kann zur Gleitzeit der Deskless Worker werden. Ein Desk Worker kann ja, wenn es im Büro gerade gut passt, sagen: Ich habe jetzt acht Stunden plus, da bleib ich morgen zu Hause und kümmere mich um den Haushalt oder gehe mit dem Kind zum Arzt. Ein Deskless Worker kann das üblicherweise nicht machen. Aber ein freier Tag zusätzlich könnte das abfedern.
Das Vertrauen der Deskless Worker in ihr Unternehmen ist meist geringer als das der Desk Worker; sie fühlen sich weniger wertgeschätzt.
HC: Gibt es weitere Ansatzpunkte?
Peter M. Wald: Möglichkeiten zur Weiterentwicklung sind ein großes Thema, auch um die Mitarbeitenden an sich zu binden. Amazon bietet bis zu 4.500 Euro für Weiterbildung an – das sorgt für Bindung an das Unternehmen und zeigt: Wir schätzen dich und bauen auf dich.
Das Vertrauen der Deskless Worker in ihr Unternehmen ist meist geringer als das der Desk Worker; sie fühlen sich weniger wertgeschätzt. Das kann man durch das Angebot von Trainingsmaßnahmen ändern und auch dadurch, dass Mitarbeitende mitreden und mitentscheiden dürfen. Dazu muss man natürlich ins Gespräch mit ihnen kommen und sie fragen: Was wünscht ihr euch, wie geht es euch überhaupt? Mitarbeitende am Schreibtisch mit PC-Zugang zu befragen, ist einfacher und bequemer.
HTWKImpulse für die Flexibilisierung der Deskless Work gibt das neue Buch von Prof. Dr. Peter M. Wald.
Aber es gibt mittlerweile verschiedene Mitarbeiter-Apps, und da das Smartphone omnipräsent ist, kann man so auch einen sehr direkten Kontakt zu den Deskless Workern aufbauen und über diese Apps auch Informationen weitergeben. So haben die Mitarbeitenden das Gefühl, einbezogen zu werden und auch mitentscheiden zu können.
HC: Können Sie beispielhaft Unternehmen nennen, die mit neuen Impulsen die Deskless Worker stärker in den Fokus rücken?
Peter M. Wald: Im Buch erwähnen wir ein großes Backhaus, das mehr als 1.100 Mitarbeitende hat und ihnen ein Mitspracherecht bei der Produktpalette in den Filialen ermöglicht. Außerdem setzt das Unternehmen stark auf die Berechenbarkeit der Dienstpläne und beteiligt die Mitarbeitenden am Verkaufserfolg.
Eine Friseurkette, die wir ebenfalls im Buch betrachten, setzt neben anderen Benefits auf die Auswahl von Vergütungsanteilen. Neben dem Grundgehalt können die Mitarbeitenden eigene Wünsche anbringen, die durch den Arbeitgeber umgesetzt werden. Es können der Mobilfunkvertrag, eine Zahnzusatzversicherung, die Aufstockung der betrieblichen Altersvorsorge oder mehr Urlaubstage sein. So halten beide Unternehmen ihre Fachkräfte. Zur Rekrutierung neuer Fachkräfte spielt auch die Formulierung der Stellenausschreibung eine große Rolle.
HC: Was sollten Unternehmen bei der Stellenausschreibung beachten?
Peter M. Wald: Ich nenne gern das Beispiel eines Bahnunternehmens, das „Triebfahrzeugführer“ suchte und auf diese Stellenanzeige sehr wenige Bewerbungen erhielt. Als es „Lokführer“ suchte, änderte sich das. Der verständliche Jobtitel steht im Zentrum.
Dann ist es natürlich wichtig, dass die Karriereseite leicht zu finden ist und die Hürden für eine Bewerbung so niedrig wie möglich sind, sprich: Es darf keine Zwangsanmeldung geben, keine Pflicht zur Registrierung. Eine Bewerbung muss schnell gehen, einfach sein und die Ansprache muss zur Zielgruppe passen.
Ergänzender Hinweise:
Das Buch „Deskless Work und Personalmanagement. Ideen, Praxiserfahrungen und Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeit“ von Peter M. Wald finden Sie hier.
Auch viele Hidden Champions suchen qualifizierte Fachkräfte. Auf unserem Jobportal finden Sie exklusiv selektiert die Stellenangebote von Deutschlands Welt- und Europamarktführern.

Unsere Karte zeigt, wo Innovation und weltweiter Erfolg auch abseits der Metropolen stattfindet.
Unsere Karte zeigt, wo Innovation und weltweiter Erfolg auch abseits der Metropolen stattfindet.

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf, wenn Sie einen Hidden Champion kennen und dieser bisher nicht bei uns aufgelistet wird.
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