Lokal und global: Die Produktionsstrategien der Hidden Champions
GEMÜ

Lokal und global: Die Produktionsstrategien der Hidden Champions

Welchen vielfältigen Kriterien die Unternehmen bei ihrer Standortwahl folgen.
17.06.2025von Stefanie Hütz

Made in Germany und Auslandsproduktion sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Für den internationalen Erfolg deutscher Unternehmen ist beides wichtig. Das wurde im Austausch mit den Hidden Champions ElringKlinger, GEMÜ und Horn schnell deutlich. Warum, das lesen Sie hier.

ElringKlinger, GEMÜ und Horn sind drei Beispiele für global aktive Akteure, die sich klar zum Stammsitz Deutschland bekennen. ElringKlinger, weltweit führender Systempartner der Automobilindustrie, hat 2021 nur zehn Kilometer von seiner Zentrale Dettingen/Erms entfernt in Neuffen einen weiteren Standort gegründet und diesen inzwischen nochmals erweitert. Hier werden alle batterietechnologischen Aktivitäten des Geschäftsbereichs E-Mobility in einem Kompetenzzentrum gebündelt.

Auch Präzisionswerkzeug-Spezialist Horn betrachtet seinen Stammsitz Tübingen als Technologiestandort. „Hier wird Technologie entwickelt. Die Produktion in Deutschland ist für uns ein wesentliches Qualitätsmerkmal. Unsere internationalen Produktionsstätten sind dabei weitgehend Kopien von Tübingen“, sagt CEO Markus Horn.

Gert Müller, geschäftsführender Gesellschafter der GEMÜ Gruppe (Gebrüder Müller Apparatebau), bestätigt: „In unserer Branche ist ‚Made in Germany‘ aufgrund der hohen Produktqualität und Innovationskraft nach wie vor ein Qualitätsmerkmal und somit ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor.“ Die GEMÜ Gruppe ist Hersteller von Ventil-, Mess- und Regelsystemen für Flüssigkeiten, Dämpfe und Gase und bei Lösungen für sterile Prozesse Weltmarktführer. Sie ist international aufgestellt, hat aber „als Partner des Maschinen- und Anlagenbaus noch immer einen starken Fokus auf Europa und insbesondere Deutschland“.

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Firmen sollten ihre Aktivitäten an den jeweils besten Standorten der Welt ausüben.

Prof. Dr. Hermann Simon

Deutschland ist und bleibt für viele Unternehmen also die zentral wichtige „Homebase“. Doch es gibt auch Ausnahmen. Hidden-Champions-Experte Prof. Dr. Hermann Simon berichtet von deutschen Unternehmen der Bergwerkstechnologie, die ihre gesamte Wertschöpfungskette inklusive Forschung und Entwicklung nach China verlegt hätten, da es keinen Bergbau und „fast keine Kunden“ mehr in Deutschland gebe. Er erwähnt außerdem ein deutsches Hightech-Unternehmen, das sein Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz gerade in Shanghai aufbaut, da sich dort Produkte und Prozesse aufgrund der höheren Datenverfügbarkeit besser entwickeln ließen. Umgekehrt verweist er auf Designcenter chinesischer Autobauer in Deutschland und findet all das richtig: „Firmen sollten ihre Aktivitäten an den jeweils besten Standorten der Welt ausüben, also dort agieren, wo die jeweils besten Bedingungen bestehen.“

Globale Präsenz als Erfolgsbaustein und Risikodiversifikator

In ihrer globalen Präsenz sieht Prof. Dr. Hermann Simon eine besondere Stärke der deutschen Hidden Champions – sowohl auf Vertriebs- als auch auf Produktionsebene – und einen „sehr effektiven Risikodiversifikator“. Er spricht von „relativer Deglobalisierung“, wenn Exporte durch ausländische Direktinvestitionen ersetzt werden, also eine Fabrik in Land XY gebaut und betrieben wird statt in Deutschland zu produzieren und die Waren dann (mitunter weit und mit hoher CO2-Bilanz sowie politischen und logistischen Risiken) zu transportieren.


Thomas Jessulat, Vorstandsvorsitzender von ElringKlinger, setzt auf das Prinzip „local for local“.ElringKlinger AG

Thomas Jessulat, Vorstandsvorsitzender von ElringKlinger, setzt auf das Prinzip „local for local“.

ElringKlinger nennt das Prinzip „local for local“. „Wir sind mit über 40 Standorten weltweit aufgestellt und in allen wichtigen Automobilregionen nah am Kunden vertreten“, erläutert der Vorstandsvorsitzende Thomas Jessulat die Strategie und fügt hinzu: „Wenn wir neue Standorte eröffnen, werden diese nach einem umfangreichen Kriterienkatalog ausgewählt. Dabei spielen volks- und betriebswirtschaftliche, nachhaltigkeitsbezogene sowie politische Aspekte eine Rolle. Im Juni 2024 haben wir die Konzerngesellschaft ElringKlinger South Carolina in den USA gegründet. Der Standort wird zu einem Battery Hub für den amerikanischen Markt ausgebaut, um nah am Kunden zu sein.“

Nah am Kunden zu sein, ist ein wichtiger Aspekt

Markus Horn, CEO der Horn Gruppe, verfolgt mit der Standortwahl langfristige Strategien.HORN/Sauermann

Markus Horn, CEO der Horn Gruppe, verfolgt mit der Standortwahl langfristige Strategien.

Markus Horn ist aktuell ebenfalls „dankbar, eine Produktion in den USA zu haben, die den Fokus hat, den amerikanischen Markt zu bedienen“. Der Fertigungsstandort ist ohnehin ein besonderer im Portfolio der Horn Gruppe: „Dort beschäftigen wir uns ganz speziell mit dem Inch-Maß, das wir hier in Deutschland nicht herstellen.“ Neben Italien und Tschechien verfügt die Horn Gruppe außerdem über einen Produktionsbetrieb in Thailand, „da wir dort einen Markt für eine spezifische Technologie sehen“. Kundenfokus hat also auch für Horn eine elementare Bedeutung. Markus Horn unterstreicht parallel dazu: „Prinzipiell fertigen die Produktionsstätten vorrangig für die lokalen Märkte. Gleichzeitig stellen die Redundanzen entlang der Produktionsketten sicher, dass wir Aufträge in andere Produktionsstätten verschieben und unsere Lieferfähigkeit garantieren können, wenn es an einem Standort ein Problem oder eine Notfallsituation geben sollte.“

Corona, Huthi-Rebellen, die Schiffe beschießen, ein Schiff, das im Suezkanal quersteht, Extremwetterereignisse, geopolitische Entwicklungen wie der Ukraine-Krieg oder handelspolitische Maßnahmen wie Zölle: Oft wurde in jüngerer Zeit deutlich, wie fragil Lieferketten sein können. Gut also, wer dann flexibel und breit aufgestellt ist.

Möglichst optimale Rahmenbedingungen je Produktgruppe

Gert Müller, geschäftsführender Gesellschafter der GEMÜ Gruppe, sieht in „Made in Germany“ nach wie vor ein Qualitätsmerkmal und einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsfaktor.

Gert Müller, geschäftsführender Gesellschafter der GEMÜ Gruppe, sieht in „Made in Germany“ nach wie vor ein Qualitätsmerkmal und einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsfaktor.

Gert Müller unterstreicht all das: „Neben zwei Produktionsstandorten in Deutschland fertigt GEMÜ seine Produkte in Brasilien, China, Frankreich, Indien, der Schweiz sowie den USA. Aufgrund unseres breiten Produktportfolios haben wir unsere Produktionsstandorte nach den optimalen Rahmenbedingungen für die jeweilige Produktgruppe und deren Qualitätsanforderungen gewählt. Zudem produzieren wir schwerpunktmäßig dort, wo die Produkte auch stark nachgefragt werden. So stellen wir zum Beispiel industrielle Membranventile für Mining-Anwendungen in Südamerika her.“

Die Kosten sind nur eines von vielfältigen Kriterien

Alle drei Unternehmenslenker betonen, dass sie eine langfristige Strategie verfolgen, die situationsbezogen nachjustiert wird, und dass sie weitaus mehr Kriterien folgen als nur den günstigsten Produktionskosten. Markus Horn: „Wir verlagern eine Produktion nicht, um möglichst billig fertigen zu können, sondern um einen Markt oder eine Anforderung besser zu bedienen. Dadurch können wir deutlich langfristiger skalieren als die meisten anderen, die immer wieder in das nächste Best Cost Country umziehen.“

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